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Kinderunfälle mit dem Fahrrad: Radfahrprüfung ist keine „Verkehrs-Matura“

Pressemitteilung – 20. Juni 2022

 

In den letzten 5 Jahren wurden 1.869 Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre nach einem Fahrradunfall an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz behandelt. Die Unfallzahlen stiegen kontinuierlich von 328 im Jahr 2017 auf 400 im Jahr 2021. Hochgerechnet auf die Steiermark verunfallen jährlich rd. 1.000 Kinder mit dem Fahrrad, österreichweit sind es rd. 5.500 bis 6.000.

Davon handelt es sich laut Statistik Austria bei rd. 75 Radunfällen steiermarkweit und rd. 700 Radunfällen österreichweit um Verkehrsunfälle. 90 % der kindlichen Verkehrsunfälle mit dem Fahrrad passieren ab dem Alter von 9 Jahren, also ab dem (möglichen) Erwerb des Radfahrausweises. Der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE appelliert an Eltern, den Radfahrausweis ihres Kindes nicht als „Verkehrs-Matura“ zu betrachten und weiterhin regelmäßig gemeinsam zu üben.

Typisches Radunfall-Opfer ist männlich und in der Pubertät

„Bei den 1.869 Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 15 Jahren, die im Zeitraum 2017-2021 nach einem Fahrradunfall an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz behandelt wurden, handelte es sich vor allem um ältere Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 15 J. (51 %), gefolgt von 6-10-Jährigen (31 %) und 0-5-Jährigen (18 %)“, weiß Dr. Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE.

85 % der Unfälle ereigneten sich erwartungsgemäß zwischen April und Oktober.

Auffällig: Ab neun Jahren ging der Anteil der Mädchen bei den Unfallopfern massiv zurück. Verunfallte waren dann zu rd. 80 % männlich. „Zurückzuführen ist das wohl auch auf das in diesem Alter schwindende Interesse der Mädchen am Radfahren“, vermutet Spitzer.

Schwere Kopfverletzungen und Schädel-Hirn-Traumata bei Nicht-Helmträgern zwei- bis dreimal häufiger

Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Präsident des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Vorstand der Grazer Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie: „Bei Fahrradunfällen sahen wir zu rund einem Drittel schwere Verletzungen. Das entspricht dem üblichen Durchschnittsanteil bei Kinderunfällen (alle Unfallarten). Jedoch wurden 15 % der mit dem Rad Verunfallten stationär aufgenommen – doppelt so viele wie beim „allgemeinen Kinderunfall“.

Mind. 20 % der Verletzungen betrafen den Kopf, 32 % die Arme und Hände, 17 % die Beine und Füße. „Schwere Kopfverletzungen kamen bei Nicht-Helmträgern mehr als doppelt so oft vor wie bei Helmträgern; Schädel-Hirn-Traumata gar dreimal häufiger“, betont Till.

In Österreich gilt die Helmtragepflicht bis 12 Jahre. Je älter die Kinder werden, desto geringer ist der Anteil der Helmträger:innen. 78 % der Kinder im Helmtragepflicht-Alter (bis 12 J.) tragen Helm, aber nur mehr 65 % der Kinder und Jugendlichen jenseits der Helmtragepflicht (älter als 12 Jahre).

Verkehrsunfälle mit dem Fahrrad

Besonderes Augenmerk beim Radfahren ist auf den Straßenverkehr zu legen. Laut Statistik Austria (Zahlen aus 2018 und 2019) sind jährlich österreichweit rund 700 Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre als Radfahrer:in in einen Verkehrsunfall verwickelt. Heruntergebrochen auf die Steiermark sind es etwa 75. Das heißt, dass rund jeder 10. kindliche Fahrradunfall ein Verkehrsunfall ist – der Rest sind Einzelstürze. 75 % der kindlichen Fahrrad-Verkehrsunfälle entfallen auf die Burschen.

Spitzer: „Betrachtet man alle kindlichen Altersgruppen, so zeigt sich, dass neun von zehn Fahrrad-Verkehrsunfällen bei Kindern ab 9 Jahren passieren. Wir vermuten, dass durch die einmal abgelegte Radfahrprüfung sowohl Eltern als auch Kinder die Fähigkeiten in komplexen Verkehrssituationen überschätzen. So mussten wir im Rahmen einer früheren Studie bereits feststellen, dass zwei von drei Kindern schon ein halbes Jahr nach der Prüfung die Rechtsregel nicht mehr richtig anwenden konnten.“

Die Radfahrprüfung sollte also keinesfalls als „Verkehrs-Matura“, sondern als „Verkehrs-Aufnahmeprüfung“ gesehen werden. Das Credo lautet auch weiterhin: Gemeinsam immer wieder in verschiedenen Verkehrssituationen und Umfeldern üben, üben, üben!

Abschließend betont Till: „Tödlich verunglücken Kinder mit dem Fahrrad zum Glück nur sehr selten. Wir hatten hier in den letzten Jahren in Österreich im Durchschnitt einen Fall jährlich – wobei natürlich auch dieser immer auch einer zu viel ist“.

 

Sicherheitstipps Fahrrad:

  • Bei jeder (noch so kurzen) Fahrt und in jedem Alter einen Radhelm tragen – Vorbildfunktion als Erwachsener nicht unterschätzen! Bis 12 Jahre gilt in Österreich Helmpflicht (auch fürs Mitfahren am Kinderfahrradsitz, im Fahrradanhänger oder im Lastenrad).
  • Ein guter Fahrradhelm muss
    • optimal passen und darf nicht rutschen.
    • die Stirn, die Schläfen und den Hinterkopf schützen.
    • richtig aufgesetzt werden (Kinnriemen verläuft vor und hinter dem Ohr, Helm endet einen Daumen breit über den Augenbrauen, zwischen Kinnriemen und Kinn passt nur eine Fingerbreite).
    • nach einem Sturz ausgetauscht werden. Kaum sichtbare Haarrisse können die Schutzwirkung des Helms verringern.
  • Die richtige Beherrschung des Fahrrads sollte mit dem Kind immer wieder geübt werden.
  • Das Fahrrad sollte im Frühjahr einem Sicherheitscheck unterzogen werden.
  • Das Radfahren auf Gehsteigen oder Gehwegen ist mit Fahrrädern mit einem Felgendurchmesser von mehr als 300 mm (entspricht ca. 12 Zoll) verboten. Gibt es einen Radweg oder einen Geh- und Radweg, muss dieser von Radfahrer:innen benützt werden. Nebeneinanderfahren ist nur auf Radwegen, in Wohnstraßen und auf öffentlichen Straßen bei Trainingsfahrten mit Rennrädern erlaubt.
  • Die Geschwindigkeit dem persönlichen Fahrkönnen und den äußeren Bedingungen anpassen.

Video für Eltern und Kinder

Helm richtig aufsetzen – so ist dein Kopf perfekt geschützt