
Pressemitteilung – 17. August 2016
Unfälle am Schulweg: 11-Jährige am stärksten gefährdet
Rund 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche machen sich in Österreich demnächst wieder auf den Weg zur Schule. 473 6–15-Jährige erlitten dabei im Vorjahr einen Unfall. Entgegen der landläufigen Vermutung sind aber nicht die Schulanfänger am häufigsten betroffen, sondern die „Großen“, die 11-Jährigen. Sie verunfallen dreimal häufiger als die Schuleinsteiger. Wichtigste Schutzmaßnahmen: Schulweg immer wieder üben und Ablenkungen (Stichwort Handy!) vermeiden!
„Üben Sie den Schulweg nicht nur mit den Schulanfängern, sondern mit allen Volksschulkindern und den 10-Jährigen, die ins Gymnasium bzw. in die Neue Mittelschule wechseln! Denn einerseits wird über die Ferien viel vergessen und andererseits haben sich am Weg vielleicht wichtige Punkte verändert“, appelliert Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Präsident des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie an die Eltern.
Unfallrisiko nach Alter und Fortbewegungsart
Vielleicht überraschend: Schulanfänger erleiden am seltensten Schulwegunfälle. Denn sie werden in der Regel gut vorbereitet und oftmals begleitet. Zu Beginn der 2. Klasse Volksschule verdoppelt sich das Unfallrisiko. Die Kinder gehen nun alleine zur Schule, haben einiges vergessen und/oder sind umgezogen, sodass der Schulweg völlig neu ist. In der dritten Klasse sinkt das Risiko eines Schulwegunfalls wieder, was auf die ausgereifteren psychomotorischen Fähigkeiten zurückzuführen ist. Zwischen dem 9. und 10. Lebensjahr schnellen die Unfallzahlen nach oben, um mit 11 Jahren einen absoluten Höhepunkt zu erreichen. Denn mit 10 Jahren kommt eine weitere Fortbewegungsart hinzu: das Fahrradfahren. Nach der freiwilligen Radfahrprüfung werden die Fähigkeiten der Kinder oft überschätzt, die Routine fehlt. Bis 14 Jahre sinkt die Anzahl der Unfälle wieder auf das Niveau der 8-Jährigen, um dann erneut sprunghaft anzusteigen. Nämlich, wenn das Mopedfahren aktuell wird.
Im Oktober doppelt so viele Schulwegunfälle wie im September
Auffällig ist auch, dass der September der Schulmonat mit den zweitwenigsten Unfällen ist. Denn hier wird sehr oft noch begleitet, der Schulweg ist neu, die Aufmerksamkeit daher noch groß. „Doch mit zunehmender Routine – und anscheinend nachlassender Aufmerksamkeit – passieren mehr Unfälle“, weiß Till. So steigen die Unfallzahlen im Oktober auf nahezu das Doppelte an.
Ursachen für kindliche Fußgängerunfälle
Der Auslöser für kindliche Fußgängerunfälle ist oft eine gefährliche, unübersichtliche Verkehrssituation. Kinder schauen seltener Rechts-Links, laufen impulsiv über die Straße, sind motorisch unruhiger, oft mit den Gedanken woanders oder spielen mit dem Handy, folgen oft Personen ohne zu schauen und wählen den kürzesten Weg. Darüber hinaus ist das Gefahrenbewusstsein von Volksschulkindern noch auf den Augenblick reduziert. Sie können nur ad hoc erkennen: „Jetzt bin ich in Gefahr“. Das für die Verkehrssicherheit so wichtige vorhersehende Gefahrenbewusstsein ist erst mit 11 Jahren voll ausgebildet.
Ablenkung als enormer Risikofaktor
Das Unfallrisiko im Straßenverkehr steigt durch Ablenkungen, wie das Handy, gravierend an. „Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, dass Telefonieren, WhatsAppen & Co. auch für Fußgänger eine große Ablenkung ist. Am besten sollte auf dem Schulweg ganz darauf verzichtet werden“, spricht Till dieses zunehmende Problem an. Auch Musikhören sollte tabu sein – Kopfhörer gehören in die Schultasche, damit die Ohren für Verkehrsgeräusche frei sind. Kinder sollten außerdem auf dem Gehsteig möglichst weit innen gehen und nicht laufen, schubsen oder Abfangen spielen.
Die größte Verantwortung liegt aber bei den Erwachsenen: „Wenn Sie selbst ein Auto lenken, bitte verzichten Sie zum Schutz von Kindern darauf, Ihr Handy oder das Navi zu bedienen, heruntergefallene Gegenstände aufzuheben und auf alle anderen Ablenkungen“, so Till. „Wir Erwachsenen sollten öfter an eine Grundregel aus der Fahrschule denken: Kinder sind generell vom Vertrauensgrundsatz ausgenommen – und verdienen deshalb unsere besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht.“
„Elterntaxis“ als Gefahr vor Schulen
Die Anzahl der Kinder, die zu Fuß zur Schule gehen, nimmt grundsätzlich ab. Gerade vor Volksschulen sind kurz vor Schulbeginn viel zu viele Autos unterwegs – weil Kinder zunehmend von den Eltern gebracht werden. Durch regelmäßige „Hol- und Bringdienste“ und das damit verstärkte Verkehrsaufkommen direkt vor der Schule werden aber Kinder, die zu Fuß unterwegs sind, wesentlich stärker gefährdet. Außerdem profitieren Kinder mehrfach davon, den Schulweg zu Fuß zurückzulegen: Nicht nur deren Sicherheit sich im Straßenverkehr zu bewegen wird gefördert, sondern auch positive Auswirkungen auf die Bewegungsfreude, soziale Beziehungen und die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht sind zu beobachten.
Üben als bester Schutz vor einem Unfall
Wenn zu Fuß gehende Schulkinder wissen, wie sie sicher in die Schule kommen, wie sie sich in schwierigen Situationen verhalten und die Verkehrsregeln nicht nur kennen, sondern auch anwenden können, dann könnte ein großer Teil der Unfälle vermieden werden. „Die Kinder sollten die Rechts-Links-Regel nicht nur als Formel auswendig wissen, sondern beim Überqueren einer Straße auch tatsächlich anwenden können. Deshalb: üben, üben, üben! Mit den Schulanfängern sollten die Eltern schon in den zwei Wochen vor Schulbeginn damit beginnen“, rät Till.
Weitere GROSSE SCHÜTZEN KLEINE SicherheitsTIPPS für den Schulweg:
- Planen Sie unbedingt ausreichend Zeit ein: Stress erhöht die Unfallgefahr!
- Achten Sie darauf, dass Ihr Kind – besonders in der dunklen Jahreszeit – helle oder reflektierende Kleidung und eine entsprechende Schultasche trägt!
Wenn Ihr Kind zu Fuß geht:
- Wählen Sie einen Schulweg, den Ihr Kind sicher bewältigen kann! Nehmen Sie dafür ggf. auch Umwege in Kauf!
- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es an Ampeln auch auf abbiegende Fahrzeuge achten muss!
- Am Zebrastreifen muss das Kind warten, bis eine Lücke im Verkehr entsteht. Erklären Sie Ihrem Kind, dass es erst losgehen darf, wenn alle Fahrzeuge stehen!
- Eine gute Möglichkeit ist die Gründung einer sogenannten „Pedibus-Gruppe“: hier gehen mehrere Kinder, von einer Aufsichtsperson begleitet, gemeinsam zu Fuß zur Schule.
Wenn Ihr Kind mit dem Fahrrad unterwegs ist:
- Erst nach der Radfahrprüfung sollte Ihr Kind allein mit dem Fahrrad zur Schule fahren.
- Denken Sie an die Helmpflicht bis 12 Jahre (und die dringende Helmempfehlung über dieses Alter hinaus!) und an regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen des Fahrrads!
Wenn Ihr Kind mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Schule fährt:
Üben Sie auch hier das richtige Verhalten:
- An Haltestellen nicht zu nah am Straßenrand stehen und nicht Schubsen/Drängeln.
- Nach dem Aussteigen warten bis der Bus/die Straßenbahn weggefahren ist, bevor die Straße überquert wird.
Wenn Ihr Kind mit dem Auto zur Schule gebracht werden muss:
- Halten Sie an einer geeigneten, sicheren Stelle in der Nähe der Schule an und lassen Sie Ihr Kind das letzte Stück zu Fuß gehen!
- Das Kind sollte immer an der Gehsteigseite aussteigen können.