Verkehr

Das Unfallgeschehen mit Bus & Bim – Fokusreport 2022

Getagged in: Bim, Bus, Jugendsicherheit, Jugendunfälle, Kindersicherheit, Kinderunfälle, öffentliche Verkehrsmittel, Öffis, Straßenbahn, Straßenverkehr, Unfallprävention

Zusammenfassung

Die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels gehört zu den sichersten Möglichkeiten einer Fortbewegung von A nach B. Vor allem im innerstädtischen Raum sind schwere oder gar tödliche Verletzungen für die Mitfahrer*innen von Linienbussen oder Straßenbahnen bei einem Unfall nicht sehr häufig. Umgekehrt stellt natürlich die Größe der öffentlichen Verkehrsmittel für ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen, die zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Moped unterwegs sind, eine entsprechend große Gefahr für schwere Verletzungen dar.

Um die Frage zu beantworten, welchen Anteil Unfälle mit öffentlichen Verkehrsmitteln, also mit Bus und Straßenbahn, bei den Verkehrsunfällen haben und welche Verkehrsteilnehmer*innen wie davon betroffen sind, wurde einerseits quantitativ das Datenmaterial der Verkehrsunfallstatistik Österreich (UDM – Zahlen der Statistik Austria) der Jahre 2018 und 2019 analysiert, andererseits qualitativ die Datensätze der Unfalldatenbank der Univ. Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz durchforstet.

In der Unfalldatenbank UDM sind 154.911 Datenzeilen für die Jahre 2018 und 2019 vorhanden. Diese beinhalten alle an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen. Eine Eingrenzung auf verletzte und getötete Personen führt zu einer Datenbasis von 92.505 Fällen.

Da mitfahrende Personen in einem PKW, in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder auf einem Moped der lenkenden Person letztlich ausgeliefert sind, kann man die Datenbasis auf aktive und passive Verkehrsteilnehmer einschränken.

Am gesamten Verkehrsunfallgeschehen sind in den beiden Jahren somit 75.468 (81,6 %) aktive Verkehrsteilnehmer*innen (Lenker und Fußgänger) und 17.037 (18,4 %) passive (Mitfahrer, Insassen) beteiligt.

Für die beiden Jahre unseres Untersuchungszeitraumes sind in der UDM insgesamt 1.859 Unfälle ausgewiesen, bei denen zumindest ein Linienbus oder eine Straßenbahn beteiligt waren. Im selben Zeitraum kam es in Österreich zu 72.582 Verkehrsunfällen mit Personenschäden. Somit sind bei 2,5 % aller Verkehrsunfälle mit Personenschaden öffentliche Verkehrsmittel beteiligt.

Bei diesen 1.859 Unfällen mit Öffis war zumindest eine Person verletzt worden, in 1.837 Fällen sind auch unverletzte Personen (zumeist Öffi-Mitfahrer oder Pkw-Insassen) in die UDM aufgenommen worden. In Summe sind 5.226 Personen in der Unfallstatistik verzeichnet.

Jede zweite Person, die beim Öffi-Unfallgeschehen verletzt wurde, kam als Mitfahrer*in im Öffi zu Schaden. Im Falle eines Zwischenfalls mit einem Öffi sind es vor allem die ungeschützten Verkehrsteilnehmer*innen, welche schwere Verletzungen erleiden; dies betrifft zu 10 % Fußgänger*innen, zu 3 % Radfahrer*innen und zu 1 % Mopedlenker*innen.

Die größte Häufung bei Unfällen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Fußgänger*innen findet sich in der Altersgruppe 10 bis 19 Jahre; die mit Radfahrer*innen zwischen 10 und 64 Jahren und diejenige bei Mopedlenker*innen bei den 15 bis 19-Jährigen.

Bei 541 Personen wurde als Verletzungsursache der Sturz im öffentlichen Verkehrsmittel dezidiert im UDM angegeben. Nach Altersgruppen betrachtet, ist dieser Sturz für die Senior*innen das größte Risiko für eine – in diesem Alter oft schon sehr unangenehme – Verletzung.

In einem Drittel der Unfälle wurde das öffentliche Verkehrsmittel als vermutlicher Hauptunfallverursacher in der Statistik verzeichnet. Beim Unfall mit einem Fußgänger sehen wir ebenso wie beim Radfahrer diesen zu zwei Drittel in der Verursacherrolle. Beim Mopedunfall weist die Statistik eine ausgeglichene Situation aus.

Das Mitfahren in einem öffentlichen Verkehrsmittel zählt zu den sichersten Arten der Verkehrsteilnahme. Bei Unfällen mit anderen Verkehrsteilnehmern im typischen Streckennetz von öffentlichen Verkehrsmitteln, nämlich im Ortsgebiet (bis 50 km/h), ist die Masse der Gerätschaften so groß, dass das erhöhte Verletzungsrisiko vor allem für ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen im Umfeld der Öffis besteht.

Das relative Risiko für eine leichte Verletzung ist für einen Fahrzeugführer und -lenker bei einem Unfall fast null. Auch für eine Fußgänger*in ist dieses weitaus geringer als beim allgemeinen Verkehrsunfall. Umgekehrt steigt das relative Risiko für Radfahrer*in und Mopedlenker*in stark an.

Das relative Risiko für eine schwere oder tödliche Verletzung ist für einen Fahrzeugführer und -lenker*in auch in dieser Risikoberechnung bei einem Unfall fast null. Auch für eine Fußgänger*in ist es geringer als beim allgemeinen Verkehrsunfall. Umgekehrt steigt das relative Risiko für Radfahrer*in dramatisch stark an.

Die Analyse der Unfalldatenbank der Univ. Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz in den Jahren 2015 bis 2020 brachte 203 Fälle zu Tage, wo ein Kind oder Jugendlicher als Benutzer*in eines öffentlichen Verkehrsmittels verletzt wurde. Nicht inkludiert sind diejenigen Fälle, bei denen es zum Unfall im Haltestellenumfeld – sozusagen zu einem Fußgängerunfall – kam.

Eine Aufgliederung der Gesamtzahl nach Unfallmonaten zeigt vor allem einen deutlichen Rückgang der Vorfälle in den beiden Sommermonaten Juli und August, was sich mit der Nutzerfrequenz unserer primären Zielgruppe deckt, und drei Gipfel in den Monaten März, September und Oktober.

Die Altersrange unserer betroffenen Patient*innen bewegt sich zwischen 0 und 17 Jahren, wobei das durchschnittliche Alter der verunfallten Person bei 9,79 Jahren liegt.

Das Unfallgeschehen in Zusammenhang mit Bus & Bim ist sehr oft ein passives; man wird als Passagier in das Unfallgeschehen mithineingezogen – auch wenn man vor allem beim Anhalten sicherlich auch aktiv mitarbeiten kann. Und daher ist es interessant zu beobachten, dass in einer Altersphase, die vor allem bei einer Auswertung nach Geschlecht die Burschen weit vorne sieht, die Mädchen mit 58 % weitaus häufiger am Verletzungsgeschehen beteiligt sind.

Von den 203 Kindern und Jugendlichen, die bei uns behandelt wurden, waren letztlich 15 % medizinisch schwer verletzt. Bei 5 Kindern konnte keine Verletzung festgestellt werden.

Unter den schweren Verletzungen sehen wir mit 70 % Frakturen, welche zum Großteil die obere Extremität betreffen. Es handelt sich hier um die typische reflexartige Auffangreaktion bei einem Sturz mit nachfolgendem Knochenbruch aufgrund der großen Unfallenergie.

Der Großteil der Unfälle findet mit 60 % beim Fahren einer scharfen Kurve oder beim Bremsen, zumeist als Notbremsung beschrieben, statt. Eine schlechte Standposition, kein Anhalten oder die aufs Texten gerichtete Aufmerksamkeit führt in solchen Situationen zum unvermittelten und für die Person überraschenden Sturz.

An zweiter Stelle liegen mit 25 % das Stolpern oder Stürzen beim Ein- bzw. hauptsächlich beim Aussteigen.

Eine Analyse der Altersgruppen nach den Unfallkategorien zeigt, dass die Verletzungen beim Ein- und Aussteigen signifikant häufiger die älteren Kinder und Jugendlichen betreffen (Ablenkung Handy?). Das Stürzen bei Kurven und Bremsmanövern betrifft die Jüngsten (große Anteile durch Stürzen der Trageperson oder Umstürzen des Kinderwagens), das sich durch die sich schließende Türe Drängen verletzt die Volksschüler am häufigsten.

In der Haltestelle haben alle Altersgruppen das gleiche Risiko, von einem einfahrenden öffentlichen Verkehrsmittel gestreift zu werden.

Standsicherheit und Trittsicherheit sind zwei wichtige Komponenten, wenn es darum geht, als Passagier*in in einem öffentlichen Verkehrsmittel sicher unterwegs zu sein.

Um Stürze aller Art zu vermeiden, sind vor allem die Benutzer*innen von Bus und Straßenbahn gefordert, wobei auch der Fahrzeugführer*in mit seinem Fahrverhalten einen gewissen Beitrag dazu leisten kann.

Unfälle außerhalb des öffentlichen Verkehrsmittels mit anderen Benutzer*innen der Verkehrsflächen können sehr gut durch Aufmerksamkeit, Regelkenntnis und Passivität im Falle der Vorrangverletzung vermieden werden.