
Die Unfallgefahr am Moped ist sogar höher als am Motorrad. Bild: Pixabay
Pressemitteilung – 26. April 2021
Bei verstärkten Kontrollen junger Mopedlenker konnten Polizisten in den letzten Wochen zahlreiche Übertretungen, wie zu hohe Geschwindigkeit oder verbotenes Tuning des Zweirades, feststellen. Das Moped eines 16-Jährigen brachte es gar auf 83 km/h. Der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz kennt die vielen, oft schweren, Unfallhergänge von jugendlichen Mopedlenker sehr genau und fordert deshalb eine Ausweitung der praktischen Führerscheinausbildung.
Jeder zweite Unfall gleich nach der Mopedausbildung; mehr als ein Drittel schwer verletzt
90 % der Unfälle der 15- und 16-Jährigen Junglenker sind Einzelstürze. Gut ein Drittel dieser jungen Mopedfahrer verletzt sich schwer. „Besonders alarmierend ist für uns, dass jeder zweite Sturz innerhalb der ersten beiden Monate nach der Führerscheinprüfung passiert. Deshalb setzen wir vom Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE uns für eine Ausweitung der Fahrpraxis in der Mopedausbildung ein. Auch Radfahrtraining und Simulationen, bei denen Jugendliche brenzlige Situationen real erleben könnten, haben Studien zufolge einen sehr positiven Effekt auf die Fahrkompetenz“, betont Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Präsident des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Vorstand der Grazer Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie.
7 von 10 tödlich verunfallten Mopedfahrern sind zwischen 15 und 16 Jahre alt
Im Fokusreport „Mopedfahren – Was tun mit der Moped-Mobilität?“ hat sich der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE zusammen mit der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz mit Mopedunfällen Jugendlicher und Präventionsmaßnahmen beschäftigt. „Im langjährigen Schnitt verunfallen in Österreich 2.610 Jugendliche zwischen 15 und 16 Jahren mit ihrem Moped im Straßenverkehr – acht davon tödlich. 71 % aller tödlich verunglückten Mopedlenker sind zwischen 15 und 16 Jahren alt“, so Studienautor Dr. Peter Spitzer von GROSSE SCHÜTZEN KLEINE. Von 450 Jugendlichen, die bei der Onlinebefragung im Zuge der Studie im Besitz des Mopedführerscheins waren, hatte bereits die Hälfte mindestens einen Unfall erlitten. 23 % der verunfallten Jugendlichen waren sogar schon mehrmals gestürzt.
Unfallzahlen mit Fahrpraxis und Simulation senken
Ein Vergleich des Verlaufes der Unfallzahlen und der eingeleiteten Maßnahmen in den letzten 17 Jahren zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem Rückgang der Unfälle und der Einführung von verpflichtenden praktischen Übungen im Schonraum und im Straßenverkehr. „Daraus lässt sich sehr klar ableiten, dass weitere effektive Maßnahmen nur solche sein können, die sich an die Fahrpraxis richten. Eine mehr oder weniger begleitete und reflektierte Praxisausfahrt im Verkehr im Rahmen der aktuellen Ausbildung ist zu wenig. Es bedarf eines schlüssigen und logisch aufbauenden Konzepts der Verkehrs-, Sicherheits- und Risikoerziehung von der Volksschule bis hin zum Führerschein B. Die Ausbildung zum Mopedführerschein ist grundsätzlich zu billig und zu kurz. Gerade für die 15-Jährigen ist eine vertiefende Ausbildung der Risikokompetenz wichtig. Im Gegenzug sollte die inhaltliche Verknüpfung mit dem Führerschein B verbessert werden, sodass die Mehrkosten beim Mopedführerschein durch Modulerlässe beim Führerschein B wieder (teilweise) kompensiert werden könnten“, regt Spitzer an.
Internationale Studien zeigen außerdem auf, dass simulatorische Konzepte einen sehr guten Effekt auf die Jugendlichen haben – beispielsweise ein Moped mit Stützen, um die Seitenlage, das Kurvenfahren auf verschiedenen Untergründen, das Schleudern etc. besser tatsächlich erleben zu können.
Das Motorfahrrad leitet sich technisch vom Fahrrad ab, was bedeutet, dass sich auch gute Radfahrkenntnisse positiv auf die Mopedbeherrschung und das Unfallgeschehen auswirken müssten. Mangelnde Radfahrfähigkeiten spiegeln sich in der Studie auch in schlechteren Mopedskills sowie in der Häufigkeit der Unfälle wider. „Wir konnten in dieser Analyse klar aufzeigen, dass das Radfahren unmittelbar mit einem sicheren Mopedfahren zusammenhängt. Folgerichtig kann man nur empfehlen, dass Radfahren an sich eine sicherheitsfördernde Maßnahme für das Mopedfahren darstellt. Ein aktives Radfahrtraining als Einstieg in die Mopedprüfung macht also durchaus Sinn“, regt Till an.
Jedes zweite Moped getunt
Knapp zwei Drittel der Burschen und ein Drittel der Mädchen sind dem Tuning im Sinne einer illegalen Erhöhung der Geschwindigkeit nicht abgeneigt. 47% der Mopeds sind getunt – bei einem Drittel war dies schon beim (v.a. gebrauchten) Kauf so. 70 % der Eltern, die davon wissen, treten nicht dagegen auf. Moped-Tuning alleine kann jedoch nicht mit einer größeren Unfallhäufigkeit in Zusammenhang gebracht werden. Auch bei den Anteilen von unverletzt bis zur Spitalsbehandlung waren keine markanten Unterschiede zwischen getunt und nicht getunt festzustellen. Spitzer: „Persönlichkeitsmerkmale wie etwa Risikobereitschaft erhöhen aber natürlich sowohl die Tuning- als auch die Unfallwahrscheinlichkeit. Für viele wahrscheinlich überraschend: Burschen, die getunt haben, haben weitaus häufiger einen eigenen Fehler als Hauptunfallursache angegeben als alle anderen. Es scheint also so zu sein, dass Tuner sehr wohl ihre Handlung als „nicht ganz korrekt“ ansehen und erkennen, und sich somit einen größeren Anteil an Eigenfehlern eingestehen“.
Weitere Daten & Fakten aus der Mopedstudie:
- Mädchen und Burschen verunfallen gleich oft, Burschen verletzten sich aber öfter schwer.
Zumeist handelt es sich um Verletzungen der Beine und Füße (56 %), gefolgt von Armen und Händen (20 %). Kopf und Halswirbelsäule sind nur zu rund 14 % von einer Verletzung betroffen – hier zeigt sich also doch sehr gut die Schutzwirkung des Helmes. - Verletzungsrisiko mit Moped 20x höher als mit Auto und 4x höher als mit Motorrad
Verglichen mit Autofahrern haben Mopedfahrer ein zwanzigfach höheres Risiko auf ihrer Fahrt verletzt zu werden und verunfallen sogar bis zu viermal häufiger als Motorradfahrer. Alters- und erfahrungsbedingt reduziert sich das Risiko für schwere und tödliche Verkehrsunfälle bei motorisierten Zweiradfahrern – so hat ein 16-Jähriger nur mehr ein halb so hohes Risiko einen Mopedunfall zu erleiden wie ein 15-Jähriger. - „Blöder Zufall“ war schuld: Eigene Fahrkenntnisse werden überschätzt
Mehr als 90 % der Mädchen und Burschen gaben in der Befragung an, sich als sehr gute bzw. gute Mopedfahrer zu sehen, die Verkehrsregeln ausreichend zu kennen und im Straßenverkehr ein gutes Gefühl zu haben. Der „blöde Zufall“ wurde dementsprechend von 43 % der Befragten für den Unfall verantwortlich gemacht. Da jedoch jeder zweite Jugendliche bereits einen Unfall hatte, dürfte die Selbsteinschätzung doch eine eindeutige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und somit eine gewisse Realitätsferne darstellen. - Schutzausrüstung wird – mit Ausnahme des Helms – nur selten getragen
Auf Schutzausrüstung legen die meisten Jugendlichen nur mäßig Wert. Allein der gesetzlich vorgeschriebene Helm wird fast immer verwendet. Handschuhe wurden hingegen nur selten, Mopedjacke und Nierengurt fast nie getragen. T-Shirt und kurze Hose stehen im Sommer hoch im Kurs.
Den gesamten Fokusreport „Mopedfahren – Was tun mit der Moped-Mobilität?“
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