Pressemitteilung – 7. Juli 2022
Nach dem Corona-Dämpfer der letzten beiden Jahre zieht es österreichische Familien diesen Sommer wieder verstärkt ins Ausland, vor allem ans Meer. Im Urlaub sind wir oftmals unbekümmerter als zu Hause, der Ferienspaß steht an erster Stelle. Damit dieser jedoch nicht im Krankenhaus endet, gibt der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE, basierend auf den Unfallhergängen und Verletzungsmustern der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz, die wichtigsten Sicherheitstipps.
Im Schnitt werden jährlich 70 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 18 Jahren an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz (nach-)behandelt, nachdem sie sich eine, oftmals schwere, Verletzung während eines Urlaubsaufenthaltes im Ausland zugezogen haben. In der Studie „Freizeitraum Wasser“ hat der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE unter anderem diese insgesamt 432 Unfälle der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz aus dem Zeitraum 2015 bis 2021 ausgewertet und analysiert.1
Unterstützt wurde die Studie durch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.
Top-Unfallort: Sommerurlaub am Meer in Kroatien, Risikoalter: Pubertät
Die meisten jungen Patient:innen, welche sich im Ausland verletzten, taten dies beim „Urlaub am Meer“. 8 von 10 Unfällen ereigneten sich erwartungsgemäß in den Sommer- und Ferienmonaten von Juni bis September, ein volles Drittel alleine im August.
„Unsere Zahlen zeigen, dass man mit Säuglingen oftmals noch auf einen Urlaub am Meer verzichtet. Danach kann man anhand der relativ gleichmäßigen Altersverteilung der Unfallopfer feststellen, dass der ‚Traumurlaub am Meer‘ mit Kindern (fast) jeden Alters bei Familien hoch im Kurs steht. Im Schnitt waren die verunfallten Kinder knapp 9 Jahre alt. Den absoluten Höhepunkt erreichten die Unfallzahlen bei den 11-Jährigen, was mitunter wohl die zunehmende Risikofreudigkeit in der Pubertät widerspiegelt“, so Dr. Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE.
Insgesamt entfiel je ein Drittel der Unfälle auf die 5- bis 9-Jährigen sowie auf die 10- bis 14-Jährigen. 21 % der Unfälle betrafen die Kleinkinder (0 bis 4 Jahre), 14 % die 15- bis 18-Jährigen.
Innerhalb der Länderangaben der 432 Unfälle liegt Kroatien (163 Unfälle) an der Spitze, deutlich vor Italien (63 Unfälle). Weiters waren die Türkei, Ungarn, Deutschland, Griechenland und Slowenien in der Statistik vertreten.²
Über 50 % der Unfallopfer schwer verletzt, Knochenbrüche an vorderster Stelle
52 % der verunfallten Kinder und Jugendlichen zogen sich eine medizinisch schwere Verletzung zu. Bei diesem überdurchschnittlich hohen Anteil ist natürlich zu berücksichtigen, dass Bagatellverletzungen nicht in die Zahlen einflossen, da sie kein medizinisches Follow-Up nach der Rückreise benötigten.
„Bei beinahe jeder zweiten Verletzung handelte es sich um einen Knochenbruch. Die Verletzungen betrafen vor allem die Arme und Hände (42 %) sowie die Beine und Füße (37 %). 14 % der jungen Unfallopfer zogen sich Kopfverletzungen zu. Wir sehen hier sehr stark die typischen Spiel- und Freizeitsport-Verletzungen, welche durch den Abstützreflex beim drohenden Sturz die oberen und beim Spiel häufig die unteren Extremitäten betreffen“, betont Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Präsident des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Vorstand der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz.
Unfälle vor allem bei Freizeitaktivitäten, bei kleineren Kindern auch in der Unterkunft
Ein Viertel der Verletzungen war auf den Unfallmechanismus „Sturz in der Ebene“ zurückzuführen. Danach folgten der „Sturz aus der Höhe“ (14 %) und „anhauen, anstoßen“ (10 %). Auch Verletzungen durch diverse Gegenstände, Schnittverletzungen, Kollisionen mit anderen Personen sowie Tierbisse waren in der Statistik der Urlaubsverletzungen im Ausland vertreten.
64 % der Unfälle ereigneten sich bei allgemeinen Freizeitaktivitäten – vom Sturz von der Schaukel über Umknicken beim Fußballspielen bis hin zum Sturz beim Radfahren – gefolgt von Unfällen rund um Meer, Pool und Wassersport (22 %), im Hotel/in der Unterkunft (11 %) und Verkehrsunfällen (3 %).
Das Durchschnittsalter bei allgemeinen Freizeitaktivitäten lag bei 8 Jahren, das bei Unfällen rund um Meer, Pool und Wassersport bei 10 bis 12 Jahren.
„Die Unfälle in der Urlaubsunterkunft betrafen hingegen vorwiegend die Jüngsten. Es handelte sich hier um die typischen Haushaltsunfälle, vielfach um Stürze aus dem Bett, vom Sessel oder über die Treppen. Oftmals sind österreichische Sicherheitsstandards nicht mit anderen Urlaubsländern vergleichbar. Informieren Sie sich deshalb schon vor der Reise über die Sicherheitsausstattung im Hotelzimmer oder in der Pension und ergänzen Sie gegebenenfalls die wichtigsten Sicherheitsartikel, wie z.B. ein Bettgitter oder mobile Fenstersicherungen, auf Ihrer Packliste“, empfiehlt Till.
Spitzer ergänzt: „Direkt am Meer spielen Unerfahrenheit und Unachtsamkeit eine große Rolle bei den Unfallumständen. Ebenso wird die Verletzungsgefahr durch Seeigel, spitze Steine, scharfkantige Muscheln oder Felsen unterschätzt. Gerade auf dem ‚klassischen kroatischen Badestrand‘ ist es deshalb sehr ratsam, Badeschuhe zu tragen.“
Mehr „Risk and Fun“ bei Kindern, „entspanntere“ Haltung bei Eltern
Vor allem bei den Jugendlichen wies die Analyse auch einige Unfälle aus der Kategorie „Risk & Fun“ aus. Spitzer: „Dort ging es stark um Unfälle mit diversen Geräten, bei denen durch jede Art von Antrieb eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden kann (Motocross, Quad etc.). In Abhängigkeit von Land und Anbieter wird unter Umständen das Thema Gerätewartung und Sicherheit sowie auch Schutzausrüstung nicht sehr groß geschrieben. Die Entspanntheit im Urlaub bedingt darüber hinaus weniger Strenge dem Kind gegenüber. Man lässt als Elternteil das Kind Dinge machen, die man zu Hause nicht gutheißen oder erlauben würde“, vermutet Spitzer.
Sicheres Umfeld für Kleinkinder, „Sicherheitsbriefing“ für ältere Kinder
Was können Eltern sonst noch bedenken und tun, damit der Urlaub auch tatsächlich für alle Familienmitglieder entspannt bleibt und nicht durch schwere Verletzungen getrübt wird?
Till: „Mit Kleinkindern gilt es, für ein sicheres Umfeld zu sorgen. Niemals sollte man sie im und am Wasser aus den Augen lassen. Schon vor der Urlaubsbuchung ist es ratsam, sich Gedanken zu machen, ob der potenzielle Ferienort sicher für den Nachwuchs ist. Gleich nach der Ankunft empfiehlt sich zudem ein Sicherheitscheck der Unterkunft und der Umgebung. Mit Kindern ab dem Volksschulalter ist ein „Sicherheitsbriefing“ eine gute Maßnahme. Erkunden Sie gemeinsam mit Ihrem Kind den Urlaubsort und besprechen Sie dabei, wo welche Gefahren lauern. Darauf basierend können Sie gemeinsam sinnvolle Urlaubsregeln vereinbaren. Denn: Auch im Urlaub muss/soll nicht alles erlaubt sein.“
Die wichtigsten Sicherheitstipps für den entspannten, unfallfreien Familienurlaub
Auswahl des Urlaubsortes: Kindersicherheit als wichtiges Kriterium
Packliste:
- Sicherheitsartikel für Wohnumfeld (Bettschutzgitter, Fenstersicherung,…)
- Schutzausrüstung für Sport/Freizeit (Schwimmhilfen, Badeschuhe, Helm,…)
- Reiseapotheke inkl. Erste Hilfe-Set
Anreise: Kindersicherheitsvorkehrungen im Auto bedenken, Pause machen
Sicherheitscheck durch Eltern vor Ort
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- Hotel, Appartement
- unbekannte Verkehrsumgebung
- Spielplatz (Gerätesicherheit, Fallschutz,…)
- Hotelpool, Strand und Wasser
Sicherheitsbriefing inkl. Urlaubsregeln: ab dem VS-Alter bis zum Jugendalter
[1] Für die mehrjährige Trendanalyse wurden die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 ausgeklammert, da zu diesen Zeiten ein Auslandsurlaub nicht wie üblich konsumiert wurde/werden konnte. Die aktuell boomenden Urlaubsbuchungen werden in diesem Jahr die Trendlinie hingegen wohl eher an der oberen Schwankungsbreite berühren.
[2] Diese Zahlen haben natürlich keine Aussagekraft darin, wie unsicher das eine oder andere Land in puncto Kindersicherheit ist, da für eine Relativierung die entsprechenden Berechnungsgrößen fehlen.